Schilthorn – Piz Gloria: James Bond 007
Zu
Beginn des Jahres 1968 begann die Motivsuche für den Hauptschauplatz des neuen James-Bond-Films «On her
Majesty’s Secret Service». Hubert Fröhlich, der Redaktionsmanager, erhielt von den Bond-Produzenten
Albert R. Broccoli und Harry Saltzman die Aufgabe, einen geeigneten Drehort für den «Piz Gloria» zu
finden.
Ian Flemings Romanvorlage skizziert das Bild des «Piz Gloria» recht genau. Die Geschichte
verlangte nach einer Bergseilbahn mit einer freistehenden Gipfelstation. Diese musste natürlich auch die
nötige Infrastruktur mitbringen, um die Filmdreharbeiten möglich zu machen.
Die Suche führte im Osten
der Alpen von Corvara und Cortina d’Ampezzo bis nach Chamonix in Frankreich, doch sie blieb erfolglos. In
Grindelwald schliesslich wurde Hubert Fröhlich auf die erst ein Jahr zuvor fertiggestellte Schilthornbahn
aufmerksam gemacht. Die Gipfelstation war noch unvollendet.
Am nächsten Tag wurde das Schilthorn
besichtigt. Nach Gesprächen mit dem damaligen Schilthornbahn-Direktor, Paul Eggenberg, und dem
Präsidenten des Verwaltungsrates, Ernst Feuz, war es klar: Der ideale Drehort war gefunden!
Eine
einzigartige Kulisse mit vereisten Nordwänden, imposanten Viertausendern, eine moderne Bahn, das
Drehrestaurant – das alles bewog die Verantwortlichen der United Artists, das Schilthorn als Drehort
auszuwählen.
SCHILTHORN 2970 m – der perfekte Drehort
In
den 1960er- und 1970er-Jahren wurden in der Schweiz große Pendelbahnen gebaut, auf das Schilthorn, den
Corvatsch oder auf den Titlis. Sie waren Zeichen und Ausdruck der modernen Technik und des Fortschritts.
Mit einer Streckenlänge von 7 km entstand am Schilthorn die damals modernste und längste Luftseilbahn der
Welt. Dies erregte natürlich entsprechendes Aufsehen.
Ab Sommer 1965 wurde auf dem Gipfel unter
schwierigsten Bedingungen gebaut. Da die Gesamtanlage statt den ursprünglich bezifferten 8,5 am Ende 30
Mio. Franken kostete, konnte nur die Hülle bzw. das Gebäudeäussere der Gipfelstation fertiggestellt
werden. Die Sensation des Drehrestaurants auf fast 3000 Metern musste auf noch unbefristete Zeit
verschoben werden.
Dann kam James Bond! Die Abmachungen zwischen Schilthornbahn und Eon Productions
basierten auf einem einfachen Vertrag: Das Bahnunternehmen stellte den Drehort zur Verfügung und die
Filmproduzenten bezahlten den dauerhaften Ausbau des Gipfelgebäudes sowie alle Transport-, Betriebs- und
Personalkosten der Schilthornbahn für die Dreharbeiten.
Von April bis Oktober 1968 verwandelte ein
Heer von Fachleuten das Gipfelgebäude auf dem Schilthorn in den «Piz Gloria» des Romans. Eine Kombination
von Villa, Sanatorium, Laboratorium und Festung. Hier sollte der Bösewicht und falsche Graf Blofeld den
Untergang der Menschheit vorbereiten.
Der Piz Gloria
Nachdem Hubert Fröhlich sich von den Gegebenheiten am Schilthorn ein Bild gemacht hatte, traf einige
Tage später Regisseur Peter Hunt in Mürren ein. Die Filmproduzenten konnten das Restaurant nach ihren
Bedürfnissen und Wünschen in Zusammenarbeit mit dem Architekten, Konrad Wolf aus Bern, gestalten. Bevor
jedoch die erste Klappe am 21. Oktober 1968 fallen konnte, wartete viel Arbeit auf alle Beteiligten.
Die ursprünglich grauen Stationsbauten auf dem Birg wurden blau gestrichen, alle Kabinen der
Schilthornbahn wurden orange umgespritzt und mit einem Blofeld-Wappen versehen: Der Heliport wurde in ca.
12 Wochen für 500 000 Franken erstellt, mit einem Eistunnel als Direktverbindung in die unteren Ebenen
der «Alpenklinik».
Im Drehrestaurant wurde alles mit orangefarbigem Teppich ausgekleidet und eine
abnehmbare Holzdecke eingezogen. Auf Wunsch der Filmarchitekten wurde ein Cheminée eingebaut und eine
James-Bond-Bar entworfen. Die Gitter am Treppenaufgang wurden mit grossem Aufwand angefertigt und
installiert. Die Aufzüge wurden mit eloxierten Beschlägen ausgekleidet.
Um den luxuriösen Eindruck zu
vervollständigen, wurden Ledergarnituren und Sessel im Chesterfield-Stil u. a. von der Schweizer
Nobelmarke «de Sede» erworben.
Lampen, ein riesiger Flokati-Teppich und Grünpflanzen wurden beschafft
und auf den Gipfel transportiert. Die Krönung der Sonderwünsche war die Entfernung von zwei tragenden
Pfeilern im Innenraum. Im Dachraum wurde ein 50 cm starker Eisenträger eingezogen, der die fehlenden
Stützen ersetzte.
Dreharbeiten rund ums Schilthorn und Piz Gloria
Regisseur
Peter Hunt wollte für die finalen Angriffszenen auf den Piz Gloria drei gleiche Helikopter haben. Dies
stellte sich zunächst als Problem heraus, da die Heliswiss in Belp nur zwei gleiche Helikopter vom Typ
Bell 204 besass. Der Manager der Heliswiss fand schliesslich den dritten. Er stand in Halmstad nördlich
von Oslo in Norwegen.
Beträchtliche Überführungskosten wurden nicht gescheut. Damit auch alle
Helikopter die gleiche Optik aufwiesen, wurden alle mit einer abwaschbaren Spezialfarbe angepinselt.
Während den Dreharbeiten schneite es erst ab dem 23. Dezember 1968. Niemand konnte sich erinnern, dass
auf dem Schilthorn jemals so wenig Schnee gelegen hatte. Es musste Schnee beschafft werden. Ausgestattet
mit 1000 Plastiksäcken, Schaufeln und einer grösseren Anzahl an Helfern wurde Gletscherschnee vom
Petersgrat geholt, zum Schilthorn geflogen und wieder ausgeschüttet. Alles in allem war die «Aktion
Schnee» sehr arbeitsintensiv und auch nicht billig.
Die Drehorte neben dem Schilthorn: Mürren und Lauterbrunnen
Regisseur Peter Hunt versuchte, möglichst viele Szenen vor Ort zu drehen, statt in den Pinewood-Studios
bei London. Er nutzte das Lauterbrunnental wie eine überdimensionale Studiohalle.
Mürren war aber kein
unbekanntes Bergdörfchen. Schon seit Jahrzehnten war es ein international bekannter Kurort, der schon vor
den James-Bond-Dreharbeiten mit exklusiven Gästen Erfahrungen gemacht hatte. Dennoch stellten die
Dreharbeiten eine neue Erfahrung dar. Die Polizeistunde wurde aufgehoben, um die Filmcrew samt Tross
bewirten zu können. Die Getränkeangebote wurden nach den Wünschen der Engländer um spezielle Whisky- und
Biersorten erweitert. In einigen Häusern gab es Austern, Hummer oder Langusten. Mürren erlebte in der
Zeit vom Oktober bis Dezember 1968 eine dritte Saison der ganz besonderen Art.
In Mürren wurde extra
für den Film ein falscher, 14 Meter hoher Kirchturm aufgebaut. Auch die Eisbahnszene, bei der Bond Tracy
wieder trifft, sollte ursprünglich in Mürren gedreht werden. Dazu wurde eine grosse Zuschauertribüne von
Gstaad nach Mürren gebracht und aufgebaut. Doch der Schneemangel liess keine Dreharbeiten zu.
Zum
Einsatz kam allerdings die seit 31 Jahren nach einem tödlichen Unfall stillgelegte Bobbahn vom
Allmendhubel durch das Blumental. Auch hier galt es, Probleme mit der verrotteten Wasserversorgung und
der Trassierung zu bewältigen. Mit drei Fachleuten aus St. Moritz und 15 Helfern wurde die Bahn ein
letztes Mal für James Bond flottgemacht.
Die Dreharbeiten der «Second Unit»
Die
«Second Unit» war das zweite Filmteam. Es kümmerte sich um die Aussenaufnahmen mit den imposanten
Skiverfolgungsjagden, Kampfszenen, die Lawinensprengung am Tschingelgrat oder die Verfolgung samt dem
Zusammenstoss» mit der Schneefräse.
Die Regieverantwortung hatte dabei John Glen. In der Romanvorlage
wird eine Szene beschrieben, in der James Bond an einem Bahntrassee vorbeikommt und einer seiner
Verfolger vom Schneepflug des Zuges erfasst und zerstückelt wird. Es stellte sich heraus, dass diese
Szene so nicht realisierbar war. Man entschied sich stattdessen, eine 14 Tonnen schwere Peterfräse zu
benutzen. Auf der Urner Seite des Sustenpasses, in der Nähe des Sustenbrückli, war eine solche Maschine
vorhanden.
Die Vorbereitungen dauerten zehn Tage, da sich die Fräse erst zum geeigneten Drehort
durchfräsen musste. Mühsam entstand so eine 3–4 Meter tiefe Schlucht, in die sich der Stuntman Ruedi von
Allmen aus Lauterbrunnen stürzte. Damit die Szene realistisch wirkte, wurden bei einer zweiten Runde im
letzten Augenblick zwei Eimer rote Farbe in den Schnee gegossen und ein totes Schaf dazugelegt.
Der extreme Schneemangel am Schilthorn war zunächt nicht so ins Gewicht gefallen. Als dann das zweite
Filmteam zum Einsatz kommen sollte, änderte sich die Situation. Das einzige Gebiet mit einer
ausreichenden Schneedecke in der Nähe lag bei der Mutthornhütte und oberhalb davon auf dem
Tschingelhorngletscher. Diese Hütte wurde nun fast fünf Wochen das Zentrum der «Second Unit».
Die Story von «On her Majesty’s Secret Service»
Bei
einer Geheimmission in Portugal rettet James Bond (George Lazenby) der hübschen Tracy (Diana Rigg) das
Leben. Kurz danach trifft er das attraktive Mädchen im Spielkasino des Palacio-Hotels in Estoril wieder.
Am nächsten Tag wird Bond von zwei Fremden gekidnappt und zu Marc Ange Draco (Gabriele Ferzetti), einem
reichen Bauunternehmer, gebracht. Draco ist Chef der Union Corse, einer Art Mafia-Organisation – und
Tracys Vater. Er möchte, dass Bond seine eigenwillige Tochter heiratet und bietet ihm dafür eine Million
in Gold. Bond wäre dazu nicht abgeneigt, aber er will kein Geld. Ihm wäre es lieber, wenn Draco ihn mit
seiner Untergrundorganisation bei der Suche nach Spectre-Chef Ernst Stavros Blofeld (Telly Savalas)
unterstützt.
Nach Dracos Geburtstagsparty, auf der deutlich wird, dass Tracy Bonds Zuneigung erwidert,
gibt der Mafia-Chef Agent 007 einen Fingerzeig. Bond fährt nach Bern und erhält bei der Durchsuchung
eines Anwaltsbüros die Gewissheit, dass Blofeld sich in der Schweiz aufhält und sich um die Anerkennung
als «Graf de Beauchamp» bemüht.
Über Sir Hilary Bray (George Baker), an den Blofeld sich gewendet
hat, versucht Bond an den Spectre-Boss heranzukommen und reist als «Sir Hilary» in die Schweiz. Dort wird
er von der Blofeld-Agentin Irma Bunt (Ilse Steppat) empfangen und per Hubschrauber auf den 3000 m hohen
«Piz Gloria» gebracht. Blofeld hat dort sein Hauptquartier aufgeschlagen. Mit Hilfe von zwölf attraktiven
Mädchen, mit denen Bond sich in seinen Mussestunden bei Liebesspielen die Zeit vertreibt, will Blofeld
die Welt bakteriologisch verseuchen und die Vereinten Nationen erpressen.
Unter dem Vorwand der
Ahnenforschung deckt Bond alias «Sir Hilary» Blofelds Pläne auf. Er wird jedoch von Irma Bunt
durchschaut, seiner Identität überführt und gefangen genommen. Bond gelingt unter abenteuerlichen
Umständen die Flucht, bei der die überraschend auftauchende Tracy behilflich ist. Zu zweit versuchen sie,
Blofeld und seinen Komplizen zu entgehen, die sie unbarmherzig verfolgen. Am
Ende wird Bond von einer
Schneelawine verschüttet, während Tracy dem Erzschurken in die Hände fällt.
Bond kann sich befreien
und nach London zurückkehren. Dort erfährt er von seinem Vorgesetzten «M» (Bernard Lee), dass Blofeld die
UN erpresst, eine Generalamnestie für alle zurückliegenden Verbrechen erreicht hat und den erstrebten
Titel eines «Grafen de Beauchamp» zuerkannt erhielt. Die gegen Blofeld gerichtete Operation Bedlam wurde
daraufhin vom Secret Service abgeblasen und «M» hat die Absicht, Tracy ihrem Schicksal zu überlassen.
Mit drei Helikoptern und einer Spezialmannschaft von Union Corse wollen Bond und Draco sie befreien. Ein
Kampf auf Leben und Tod entsteht und endet auf Blofelds Alpenfestung «Piz Gloria». Der Hochzeit von Bond
und Tracy steht damit nichts mehr im Wege.
Copyright Bilder: Schilthorn Bahn AG